ZEITGENÖSSISCHE KUNST ZUR EISZEITKUNST - JAGD NACH GLÜCK, 2022
Fotos: Martin Sigmund
8 Trophäen mit Podest, 4 Textilposter, 80 Karten
Die Installation wurde im Rahmen der Ausstellung „Zeitgenössische Kunst zur Eiszeitkunst V" 16.10 bis 20.11.2022 im Kulturbahnhof in Langenau gezeigt. Sie setzt sich mit der Frage der
zeitgenössischen Beute/Trophäe auseinander.
In der Frühzeit waren wir Wildbeuter, also Jäger und Sammler. Auch nach der Sesshaftwerdung,
welche nach der Eiszeit vor circa 10.000 bis 7.000 Jahren erfolgte, treiben uns noch immer die steinzeitlichen Urinstinkte in Form unseres Konsumverhaltens -jagen und sammeln-
um.
Allerdings geht es heute weniger um das Thema „überleben", als um das „sich ausleben".
Ironischerweise wird der letztere Aspekt wieder zum ersteren führen, wenn es durch den unbändigen Konsum zum menschengemachten Klimawandel, der Erhitzung des Planeten, kommt.
Die Trophäen bestehen aus recycelten Jagdtrophäen und Absatzschuhen, die neu zusammengesetzt unter Zuhilfenahme von Lack zu zeitgenössischen Trophäen umgearbeitet wurden. Ergänzt wird das
Ensemble von vier Textilpostern im Hintergrund, die gemeinsam mit den Objekten im Vordergrund eine schaufensterartige Anmutung generieren. Während drei der Poster das 3-teilige Bild „Born to
Shop. Back to the Roots" zeigen, widmet sich das letzte Poster der Göttin Abnoba, welche der Legende nach unter anderem als Beschützerin des Waldes und des Wildes galt. Vervollständigt
wird die Installation durch 80 Karten, auf welchen Überlegungen zum Thema „zeitgenössische Beute" stehen.
Im Vorfeld der Ausstellung wurden 30 Zitate zum Thema-ein Zitat pro Tag- auf Instagram und Facebook veröffentlicht. Mehr zum Thema unter „Projekte".
MOOSELER- Tapete, 2014
Staatsgalerie Stuttgart: Junge Nacht am 13. September 2014
Motto: „Jäger und Sammler"
Die Bauzäune im Foyer der Neuen Staatsgalerie wurden auf einer Länge von 10,5 Metern mit meinem Emblem, dem „Mooseler", besprüht. Die Farbgestaltung in rosa und türkisblau wurde analog zur Fassade der Neuen Staatsgalerie gewählt.
Installationsansicht mit Christian Jankowskis Video: "Jagd", 1992.
MACH´S DIR DOCH SELBST, 2011
Die Installation MACH´S DIR DOCH SELBST war im Rahmen der Ausstellung Urbanes Leben im Württembergischen Kunstverein in Stuttgart zu sehen. Sie besteht aus einer Plane, einer Schablone mit dem Markenzeichen der Künstlerin und einer Buntlack-Spraydose. An der Wand hängt eine Fotografie mit einer möglichen Darstellung zum Nachahmen. Daneben ist der Schriftzug „MACH´S DIR DOCH SELBST“ gesprüht.
Hintergrund: Das Swoosh-Logo von Nike ist allgegenwärtig. Neben Werbeplakaten, Schuhen und T-Shirts gibt es den Swoosh mittlerweile auch als Tätowierung. Besonders in den USA ist der Swoosh ein beliebtes Tattoo-Motiv. Fotos von Swoosh-Fans lassen sich im Internet zahlreiche finden.
Angeregt durch diese Art der Verbreitung des Swoosh, stellte die Künstlerin unter Verwendung ihres eigenen Markenzeichens einige Fotos nach. Anders als auf den Fotos aus dem Internet, worauf die Fans stolz sich und ihren Swoosh zur Schau stellen, sind die Personen auf diesen Fotos nicht identifizierbar und bleiben anonym. Damit bekommen sie einen exemplarischen Charakter und werden zur Aufforderung es sich selbst zu machen.
ERINNERUNGSORT II, 2009
Die Installation Erinnerungsort II war im Rahmen der Ausstellung Übermorgenkünstler im Heidelberger Kunstverein zu sehen. Kuhmo hat dafür einen ganzen Raum bespielt. Erinnerungsort II ist in
ihrer Art mit einer Black Box zu vergleichen. Der Betrachter betritt einen abgedunkelten Raum und auf einer Projektionsfläche ist eine Videoanimation zu sehen. Jedoch gibt es in dieser Black Box
vom Kuhmo noch mehr zu sehen und zu erleben als nur eine Projektion an der Wand, die Künstlerin möchte nicht, dass sich der Betrachter nur auf das Video konzentriert und außer diesem und
vielleicht noch sich selbst darüber hinaus nichts wahrnimmt. Um das Dispositif einer herkömmlichen Black Box zu erweitern hat sie zusätzlich kleine aus Sperrholz geschnittene Tannen im Raum
verteilt. Wie geformte Projektionsflächen stehen sie zum Teil im Projektionskegel des am Boden liegenden Videobeamers und erscheinen dadurch als Schatten in der Projektion. Die Videoanimation auf
der Projektionsfläche wird dadurch sozusagen eingerahmt und der Effekt ist verblüffend. Das projizierte Bild wird dadurch nämlich zum Hintergrund, vor dem lebensgroße Tannen stehen. Aber vor
diesem Hintergrund steht noch mehr. Der Betrachter selbst befindet sich auf dieser künstlichen Freiluftbühne und betrachtet das projizierte Video wie aus dem Wald heraus, als ob er selbst im Wald
stehen würde. Tatsächlich steht er auch im Wald, in Kuhmos künstlichem Sperrholzplattenwald, und wenn er sich im Raum bewegt und an den kniehohen Tannen vorbeigeht, die vom Licht des Beamers
beleuchtet werden, dann erscheint er auch in der Projektion und wird zum Teil der Videoanimation.
Das Video, welches gezeigt wird, ist Kuhmos Der Hut von Aino Oma (2009). Es ist ein sehr persönliches Video und wieder tauchen darin Kuhmos Motive auf – alles kommt wieder. Und genau darum geht es auch, um das Erinnern beziehungsweise genauer noch, um den Prozess des Erinnerns und Träumens. In Anlehnung an erinnerte Bilder aus der Traumwelt stellt die Animation den Traum als einen inneren Film dar, der durch den Hut der Oma ausgelöst wird. Am Anfang der Animation ist die Künstlerin selbst als Zeichnung zu sehen in einem traditionellen Kleid vor einer Tapete mit roten Kreisformen darauf. In der Hand hält sie einen Hut. Sie blickt in diesen hinein und plötzlich beginnt sich alles zu drehen. Es ist, als ob der Hut die Protagonistin in sich hinein saugt. Danach beginnen die Erinnerungen beziehungsweise das Träumen. Bereits bekannte Bilder erscheinen wie heraufbeschworen auf der Projektionsfläche: die Jagdhütte, die Schwangere, die Schneeflocke, Kutujoki – alles ist wieder da. Zunächst ist alles in Schwarz-Weiß und Grautönen gehalten, erst allmählich wird es bunt und farbenfroher. Der Soundtrack zum Video wurde speziell für Der Hut von Aino Oma hergestellt und hebt auditiv die Rhythmik des Visuellen hervor. Die Animation mutet surreal an, doch in keiner Weise unwirklich.
An der Wand gegenüber der Videoprojektion befindet ein Selbstporträt von Salla Kuhmo. Betritt man den Raum, so ist man sogleich im Visier der Künstlerin. Von dort aus scheint sie alles genau im Blick zu haben – die kleinen Sperrholztannen, die Betrachter, die Projektion, ja das gesamte Bild des Raumes, das atmosphärisch verhüllt ist mit alten und neuen Erinnerungen an einen Traum, welcher im Moment passiert.
AUF DER JAGD, 2008
Der Heimatbegriff ist in der Kunst von Salla Kuhmo ein wichtiger und er ist immer präsent. Wenn sie darüber spricht, unterscheidet sie sehr reflektiert zwischen Heimat und Zuhause, sie sagt „Heimat ist dort, wo ich geboren bin, zu Hause kann man überall sein.“ Der Wald und die Natur spielten während ihrer Kindheit in ihrer Heimat eine überaus wichtige Rolle, eine so wichtige, dass der Wald heute wohl zu so etwas wie einem Stellvertreter für Heimat geworden ist. Wald ist nicht nur das von ihr am häufigsten verwendete Motiv, er scheint auch Motor und Ziel zugleich zu sein, ein Ort, an dem sie bei sich sein kann, unabgelenkt und unbeeinflusst.
Die Installation Auf der Jagd war für die Künstlerin gewissermaßen die dreidimensionale Rekonstruktion eines Stückes Heimat, erinnerte Heimat. Die Wand mit der übergroßen Schwarzweiß-Zeichnung von sich und ihrem Vater auf der Jagd im Wald gibt dazu den Auftakt. Auch auf den übrigen Wänden war schematisch und grafisch ein Wald dargestellt, schwarze, schattenhafte Silhouetten von Nadel- und Tannenbäumen auf weißem Grund. Als Betrachter stand man dort sozusagen mitten im Winter mitten im Wald. Auf einer Längsseite des Raumes, auf der Wand, auf die man zuging, nachdem man die Installation betrat, waren die einzigen farbigen Akzente der Installation angebracht. Dort war, etwa auf Brusthöhe, eine als Materialcollage zusammengebastelte Jagdhütte angebracht, die von den Bäumen ringsum wie eingerahmt war und auf einem schneebedeckten Hügel irgendwo im Bildmittelgrund zu stehen schien. Daneben hing an einem Nagel eine Tüte, die gefüllt war mit Elchfleisch, das man auch riechen konnte. Aus der Tüte tropfte Fleischsaft. Ansonsten war die Installation ausschließlich mit Zweidimensionalem bespielt. An der Wand gegenüber der Jagdhütte war ein Scherenschnitt eines Elches in Lebensgröße angebracht. Im Raum selbst befand sich nichts außer dem weißen Boden, auf dem man als Betrachter seine Spuren hinterließ wie im Schnee. Hin zu einer Seite des Raumes wurde der Wald lichter. An dieser Wand befand sich die Wandmalerei, welche die Künstlerin als Mädchen und ihren Vater mit Schildmütze zeigte – wie ein übergroßes Familienfoto. In die andere Richtung des Raumes verdichtete sich der Wald. Die Wand gegenüber, quasi im dichtesten Teil dieses wandgemalten Waldes, diente als Projektionsfläche für eine Videoanimation. Darin war eine Jagdszene zu sehen und zwar durch die suchenden Augen des Jägers, sozusagen als ein 360º-Kameraschwenk. Von der Animation ging eine beschwörende Ruhe und Konzentration aus, man schaute durch Dickicht hindurch, an schwarz-weißen, scherenschnittartigen Bäumen vorbei und blickte irgendwann in einen federbekränzten Bürzel eines Auerhahns. Plötzlich ein lauter Knall! Ein Schuss hat sich gelöst.
Es kommt einem so vor, als ob sich Kuhmo mit dieser Installation, die übrigens ihre Abschlussarbeit an der Akademie war, ihren persönlichen Ort der Sehnsucht gebaut hat, und zwar am Ende ihres Studiums. Darin hat sie die Jagd als Naturerfahrung in eine Jagd als persönliche Kunsterfahrung transformiert.
Texte: Florian Härle und Salla Kuhmo